Adieu Hildegard!

Es war vorauszusehen, dass eine grosse Schar von Menschen aus der Circuswelt, dem Bekanntenkreis der Familie Muntwyler und von Freunden des Circus Monti an diesem herrlichen Herbstnachmittag nach Wohlen kamen, um sich in einer gemeinsamen Feier von Hildegard Muntwyler zu verabschieden. Die «Grande Dame» und Mitbegründerin des Circus Monti wurde am 19. September nach einem reich erfüllten Leben im Alter von 83 Jahren von ihren Altersbeschwerden erlöst.

Jung und Alt fanden sich deshalb im alten Chapiteau im Winterquartier des Circus Monti zusammen, um auf das Leben von Hildegard Muntwyler zurückzublicken. Während die Gäste auf den Zuschauerreihen Platz nahmen, stand in der Manege ein grosser, langer Tisch an dem die Familienangehörigen der Trauerfamilie sassen. Klar, dass auch ein Bild von Hildegard im Hintergrund nicht fehlen durfte.

Im Wechsel mit verschiedenen Musikstücken erzählten die Familienmitglieder in lockerer Reihenfolge von ihrem Muetti. Ob Tochter, Söhne, Enkelkinder oder Verwandte, all ihre Worte liessen Hildegard nochmals lebendig werden und man hatte das Gefühl, auch sie sässe mit ihrer Familie am grossen Tisch in der Manege.

Eine Art Abschiedsvorstellung fürs Muetti boten Mario mit einer Jongelage, Tobias mit seinem Diabolo und Andreas und Ulla mit einem Tanz auf dem hohen Seil. Auch ein «Hang-Duett» dargeboten von den Enkeln Gaël und Tobias, der mit diesem speziellen Instrument in der Saison 2010 im Programm auftrat, sowie eine Klangimprovisation mit Akkordeon und Kontrabass gaben der Abschiedsfeier einen würdigen Rahmen.
In den unterschiedlichen persönlichen Erinnerungsworten stellte sich klar heraus, dass Hildegard Muntwyler eine herzensgute Person war, die für alle Anliegen ihrer Mitmenschen ein offenes Ohr hatte und mit ihrer gradlinigen, zielstrebigen Art immer bereit war, in allen Situationen einen Weg oder gar eine Lösung zu finden. Ob zu Lehrerszeiten in Wohlen oder auch später im Circus – am Tisch waren Gäste jederzeit willkommen. Obwohl sie anfänglich ihre Bedenken hatte, mit ihrem Mann Guido das bürgerliche Lehrerleben zu verlassen und in die Welt des Circus zu wechseln, fand sie sich dank ihrer umgänglichen und kommunikativen Art in ihrer neuen Lebensumgebung im Wohnwagen schnell zurecht. Mit grossem Engagement und Durchsetzungswillen war sie während mehr als dreissig Jahren für die finanziellen Belange des Monti verantwortlich. Auch eine gute Verpflegung aller Circusmitarbeitenden lag ihr am Herzen, deshalb wurden vornehmlich Lebensmittel aus der Region eingekauft. Ging einmal etwas nicht so, wie sie es gerne wollte, sagte sie trocken: «Ja, Bravo!» Neben den finanziellen Belangen liebte sie es, zusammen mit einem der Söhne ins Ausland zu reisen, um Artisten für das nächste Programm zu suchen und zu finden. Auf solchen Reisen konnte sie auch ihr Flair für Schuhe etwas ausleben.

In den Ferienwochen mit den Kindern und später auch mit den Grosskindern fand sie einen erholsamen Ausgleich zu ihrer anstrengenden Arbeit als Circusdirektorin und Finanzfrau des Monti. Der Tod ihres geliebten Ehemannes Guido vor zwanzig Jahren war für sie ein herber Verlust, doch mit Unterstützung ihrer Familie lernte sie, das Leben auch ohne ihren Mann zu meistern. Doch in den letzten zwei Jahren machten sich auch bei ihr die Gebresten des Alters bemerkbar, was dazu führte, dass sie seit einigen Monaten Obhut in einem Pflegeheim fand.

In des letzten Tagen ihres irdischen Daseins durfte sie nochmals eine Art «Familienwoche» erleben, denn die Kinder, Enkelkinder und sogar Urenkel hielten rund um die Uhr Wache am Sterbebett, bis sie endlich sanft entschlafen konnte.
Mit dem lebensfrohen Welthit «What a wonderful world» fand die sehr persönliche Trauerfeier ihren tröstlichen Abschluss. Alle Gäste waren darauf zu einem feinen Apéro und anschliessend noch zum Pizzaessen eingeladen. In den vielen anschliessenden Begegnungen und Gesprächen war der gute Geist von Hildegard echt spürbar.

Vielen Dank der Monti-Familie für den würdigen Abschied! Wer Hildegard gekannt hat, wird sie für immer in lebendiger Erinnerung bewahren.

Beat Rajchman (Vorstandsmitglied CVA)