Circus Monti

In 40 Jahren zum eigenen Stil und zum eigenen Publikum

Roland Vermeylen verfasste einen Textbeitrag über den Circus Monti für die holländische Circuszeitung «De Piste». Mit freundlicher Genehmigung des Autors dürfen wir diesen Artikel publizieren. Filip Vincenz hat ihn aus dem Holländischen in die deutsche Sprache übersetzt. Das Circusmagazin «De Piste» erscheint neunmal jährlich. Das Jahresabo kostet Euro 70.-. Weitere Infos: https://www.circusvrienden.nl/de-piste

Der Circus Monti wurde vor nicht ganz 40 Jahren gegründet. Damals beschlossen Guido und Hildegard Muntwyler, ihren Lehrerberuf an den Nagel zu hängen und in die Circuswelt einzutauchen. Mittlerweile sind die Montis eine Grossfamilie mit Circusbetrieben, einem grossen und modernen Winterquartier, Zeltverleih, Varietéprogramm, Reitschule, Werkstätten und und und.

Ursprünglich war Guido Muntwyler bei der Eisenbahn angestellt. Danach war er 25 Jahre lang Lehrer. Doch er sehnte sich nach etwas anderem. Als Kind war er vom Circus und insbesondere von den Clowns fasziniert. Als Lehrer organisierte er zusammen mit Clown Pello Clown-Workshops. Es war Pello, der Guido vorschlug: „Du könntest zusammen mit deinen Kindern deinen eigenen Circus gründen.“ Während der Schulferien schloss er sich mit seiner Familie als «Die 5 Montis» dem Circus Olympia der Familie Gasser an. Behutsam und engagiert tauchte er in diese neue Welt ein. 1979 nahm er zunächst eine einjährige Auszeit vom Unterricht und absolvierte eine komplette Saison bei Olympia. 1982 und 1983 verbrachte Guido Muntwyler wieder im Klassenzimmer. Am 12. März 1985 war es schliesslich soweit: Die Familie gründete ihren eigenen Circus mit einem Fassungsvermögen von 750 Plätzen. Auch heute noch verfügt der Circus Monti über 750 Sitzplätze.

Kontinuierlich entwickelte sich der Circus Monti zu einem mustergültigen Unternehmen. Der Journalist Jörg Meier beschrieb damals, wie ganz Wohlen an der Gründung des Circus Monti beteiligt war, auch wenn viele dachten, Guido Muntwyler würde damit Schiffbruch erleiden. Zusammen mit seiner Frau Hildegard hatte er vier Kinder. Er war sowohl politisch als auch sozial engagiert und in Wohlen sehr beliebt. Während der Fasnacht zog er immer als Clown mit einem Sonnenschirm umher. Er galt als fröhlicher Alleskönner, der Menschen begeistern konnte. Jeder kannte seine Liebe zum Circus und wusste, dass er und seine Familie ihre Ferien oft im Circus verbrachten. Aber die Dorfbevölkerung spekulierte darüber, ob er einen derart riskanten Schritt wagen würde: Würde er seinen sicheren Arbeitsplatz für ein Circusabenteuer aufgeben? Und warum? Und wäre er bereit, seine vier Kinder in diese von Unsicherheit geprägte Zukunft hineinzuziehen? Seine Frau Hildegard würde bestimmt nicht mitgehen.

Bis zur Premiere im März 1985 blieben der Familie fünf Monate. Es gab aber weder Zelt, noch Programm, keine Artisten, Fahrzeuge, Kostüme und auch keine Requisiten. Und es fehlte an Geld. Das einzige, was im Überfluss vorhanden war, waren Guidos ansteckende Begeisterung und Leidenschaft. Zuerst kamen Freunde zu Hilfe. Diese brachten wiederum ihre Freunde mit. Dann kamen ehemalige Schüler, Lehrer und Politiker. Alle, die von diesem Projekt erfuhren, wollten dabei sein. In der improvisierten Werkstatt wurde jede Minute genutzt. Guido und Hildegard gewannen Vertrauen und fanden Geldgeber. Die Première wurde ein grosser Erfolg. Ganz Wohlen fühlte sich stolz und als Teil des Circus Monti. Leadership, so der amerikanische Psychologe Peter Koestenbaum, zielt darauf ab, Grösse zu entwickeln. Guido, Hildegard und der ganzen Familie ist genau dies gelungen. Wenn man den Circus Monti auf der Allmend in Luzern stehen sieht, strahlen sowohl die Zeltstadt als auch der ganze Wagenpark Dynamik und Grösse aus. Das Programm folgt dem zeitgenössischen Circus. Doch die Anfänge waren alles andere als einfach. Die Circuskonkurrenz urteilte abschätzig über den Circus Monti: "Was hat ein Lehrer in der Schweizer Circuslandschaft verloren?"

Guido Muntwyler liess sich von diesen Stimmen nicht beeindrucken. Seine Frau Hildegard führte straff die Buchhaltung, damit der Circus über die Runden kam. Der älteste Sohn Johannes spezialisierte sich auf die Jonglage. Sein Bruder Niklaus begann mit der Ziegen-Dressur und Andreas machte seine ersten Schritte als Seiltänzer. Chris Krenger, ehemaliger Pressechef des Circus Knie: "Guido Muntwyler kam oft zu uns und war mit Fredy Knie sen. gut befreundet. Der Circus Monti versuchte immer wieder, Programme mit einem ganz eigenen Stil zu kreieren. Damit hatte er Erfolg." 1997 wurde die Regieführung ausgelagert. Die Verpflichtung von Dimitri 1998 als Regisseur war ein Wendepunkt in der bewegten Unternehmensgeschichte.

1999 verstarb Guido Muntwyler. Seine Frau und ihre Söhne führten den Circus Monti weiter. 2002 ging Andreas seinen eigenen Weg. Im Jahr 2004 verliess auch Tiertrainer Niklaus den Circus. Mit diesem Schritt nahm Monti von den Tieren in der Manege Abschied. Seit dem Tod seiner Mutter im Jahre 2019 liegt die Verantwortung über den Circus Monti beim ältesten Sohn Johannes. Dieser entwickelte das Unternehmen stetig weiter. Bei meinem Gespräch mit Johannes im vergangenen Sommer in Luzern wirkte er auf mich als stolzer und zufriedener Unternehmer. Dieses Jahr erhielt der Circus Monti den höchsten Schweizer Kulturpreis: „Es ist eine Anerkennung für uns. Eine Wertschätzung für all diese Jahre. Ein Höhepunkt unseres gemeinsamen Lebenswerks.“

In den vergangenen 40 Jahren hat sich vieles verändert. Bis 2014 spielte Monti von März bis Oktober rund 300 Vorstellungen. Ein Jahr später übernahm Monti den Zeltverleih von Alfredo Nock und verfügt heute über rund 45 Zeltanlagen. Die Tournée dauert nun von August bis November. Mittlerweile spielt Monti rund 130 Vorstellungen in neun Schweizer Städten. Daneben begann Monti 2015 mit einem Wintervariété im Winterquartier in Wohlen.

Johannes Muntwyler führt den Circus Monti mit seiner französischen Partnerin Armelle Fouqueray und seinen drei Söhnen weiter. Der älteste Sohn Tobias leitet den Zeltverleih, der zweite Sohn Mario ist artistisch tätig und der jüngste Sohn Nicola kümmert sich hauptsächlich um Technik und Logistik. Armelle ist für das Artisten-Casting zuständig. Nach ihrer Ausbildung an den Circusschulen von Annie Fratellini und Châlons-en-Champagne arbeitete sie mit Alexis Gruss und Baroque. Bei Monti ist sie seit 1993 als Akrobatin tätig. 1997 war sie Guidos Clownpartnerin als Clownin Pépie.

Johannes Muntwyler: "Wir wollen nicht grösser werden, sondern qualitativ wachsen. Ich selbst bin mit der Verwaltung des Circus und unseres Zeltverleihs vollständig ausgelastet. Ich möchte aber etwas kürzertreten. Ich bin nun 59 Jahre alt und habe stets im Hinterkopf, dass unser Vater bereits mit 67 Jahren gestorben ist. Wir haben den Traum von Papa und Mama verwirklicht. Ich möchte diesen Traum weiterführen. Mit meinen drei Söhnen sind die Aufgaben gut aufgeteilt. Sehen Sie sich nur unsere neuen Lastwagen an, die Nicola komplett umgebaut hat. Ich bin ein stolzer Vater. Für mich hat sich der Kreis geschlossen, und die Anerkennung durch den Schweizer Kulturpreis war ein Höhepunkt. Wir wurden für unseren Mut geehrt, eigenwillige und unabhängige Unternehmer zu sein und jedes Jahr mit innovativen Programmkonzepten das Publikum zu begeistern."

Auch die Brüder von Johannes sind der kreativen Ader ihres Vaters treu geblieben. Der jüngste Bruder Andreas und seine finnische Partnerin Ulla Tikka tourten viele Jahre mit dem französischen Ensemble «Les Colporteurs» und ihrem legendären Stück «Fil sous la neige». Zusammen mit seinem Bruder Niklaus und seinen Pferden bauten sie dann ihr InStallation-Spektakel auf. Sie tourten damit durch ganz Europa. 2012 gründeten Andreas, Ulla, der Bühnenmanager Mike Durrer und der Komponist Lukas Stäger Roikkuva (finnisch für hängende Bilder/Skulpturen). Heute bereisen sie mit ihrem Kulturpalast und der Produktion "Empire of Fools" die Schweiz und Deutschland. Die Hommage an den Circus stellt das Traditionelle der Moderne gegenüber. Selbstironie, Klischees rund um den Circus, Live-Musik und hervorragende Akrobatik wechseln sich ab. Wenn sie nicht als Circus auf Tournée sind, vermieten sie ihr Zelt. Diese Mieteinnahmen werden dringend benötigt, um ihre Fixkosten zu decken. Übrigens zeichnen Andreas und Ulla mit dem argentinischen Clown Gerard Tetilla für Konzept und Regie der Monti-Inszenierung 2024 verantwortlich. Bruder Niklaus, der den Circus Monti 2004 verliess, arbeitet immer noch als Pferdetrainer. Die älteste Schwester Franziska wählte ein Leben abseits der Manege. Sie arbeitete anfänglich als Hebamme in einem Spital in Neuchâtel. Heute ist sie Dozentin an der Universität Lausanne.

Text: Roland Vermeylen

Bild: Archiv Circus Monti

Websites der verschiedenen Monti-Zweige: