Eisenartig - Ein kreatives Zirkusspektakel im Porträt

Kalt ist es an diesem Februarabend an der Geroldstrasse, mitten im Trendquartier Zürich-West. Etwas versteckt hinter Frau Gerolds Garten und dem Freitagsturm hat der Zirkus FahrAwaY seinen neu erworbenen Zweimaster aufgebaut. Grosse Feuerschalen wärmen das Publikum, das geduldig auf den Einlass wartet. Über dem Eingang zum Platz hängt ein kleiner Kronleuchter, die Kasse ist Openair und ein einsamer Gitarrist untermalt die Szenerie mit eigenwilligen Klängen.

Bei FahrAwaY ist alles etwas anders als im traditionellen Zirkus und erfrischend kreativ! Statt einem Eintrittsticket erhalten die Besucher metallenes Werkzeug, das sie beim Einlass abgeben. Statt Zuckerwatte und Cola gibt es Bio-Glühwein und Crèpes. Im Zeltinnern gibt es eine runde Bühne, um die herum das Publikum auf Festbänken und einem kleinen Gradin Platz nimmt. Gezeigt wird das poetisch-verrückte Zirkusspektakel „Eisenartig“. Wir sind in einer Werkstatt, in der ein Schmied Eisen verbiegt, das Radio die aktuellen News aus dem Hardbrücke-Quartier verkündet und das tägliche Leben kreativ und doch authentisch dargestellt wird. Im Pressetext wird die Szenerie passend beschrieben: „Ein Metallarbeiter und sein Geselle wagen sich an eine unvollendete Arbeit, dabei werden sie immer aufs Neue von skurrilen Figuren überrascht, die artistisch, musizierend und tanzend die Werkstatt auf den Kopf stellen. Die Welt gerät aus den Fugen…“

„Eisenartig“ ist eine Produktion von FahrAwaY Zirkusspektakel, die im Januar 2015 in Basel Premiere feierte. Auf unglaublich kreative Art verbinden die sechs Künstler eine Alltagssituation mit Artistik. Und die Artistik selbst ist es, die anders als gewohnt daher kommt und wohl gerade deshalb fasziniert. Solvejg Weyeneth etwa wirbelt ihre Diabolos auch horizontal um die eigene Achse. Ihre Spezialität ist es aber, die Diabolos auf langen Schnüren tanzen zu lassen, die von zwei Helferinnen gespannt und in alle Richtungen gedreht werden. Vielen dürfte Solvejg von ihrem Auftritt beim European Youth Circus in Wiesbaden (D) im vergangenen Jahr bekannt sein. Und auch im kleinen Chapiteau weiss sie mit ihren schnellen Würfen des Diabolos gegen die gespannte Schnur und dem gekonnten Auffangen zu gefallen. Sarah Lett wiederum kennt man von Monti, Young Stage oder Cyclope. Und auch bei „Eisenartig“ dreht die Kanadierin im Cyr Wheel unglaublich schnelle Kreise und begeistert mit tollen Tricks. Valentin Steinemann ist gelernter Metallbauer und mimt im Stück den Schmieden. Doch er schweisst nicht nur Metallbögen live zusammen, er hat sich als Autodidakt auch eine verblüffende Balancedarbietung aufgebaut. Zwischen zwei zu einer Art „Apfelschnitz“ zusammengesteckten Metallbögen spannt er sein Schlappseil, auf dem er gekonnt balanciert und eine Rolle dreht, während dem das Requisit hin und her schaukelt. Viel Tanz, eigenwillige und experimentierfreudige Live-Musik, etwa von Donath Weyeneth, der an einer Jazzschule Musik studiert hat und einige technische Special-Effects machen „Eisenartig“ zu einem einzigartigen Zirkusstück. Künstlerisch begleitet wurde die junge Artistentruppe dabei von Andreas Muntwyler und Ulla Tikka.

Doch wie kam es dazu? Wir haben nach der Zürcher Premiere, an der auch die Familie Muntwyler vom Circus Monti dabei war, mit Solvejg Weyeneth gesprochen.
Im Frühling 2010 beschliesst Solvejg zusammen mit ihrem Bruder und zwei Freunden das Zirkusspektakel FahrAwaY zu gründen. Solvejg war zuvor Mitglied des Zirkus Chnopf und hat beschlossen, eine Circusschule in den Niederlanden zu besuchen. Zuvor aber wollte sie mit ihren Freunden und den eigenen, alten Wagen mit einem Openairspektakel durch die Schweiz tingeln. Was als einmalige Sache geplant war, erwies sich als grosser Erfolg und dauert bis heute an. Seit 2010 tourt FahrAwaY jedes Jahr, in leicht wechselnder Besetzung, durch die Schweiz. Schon lange entstand der Wunsch, das Projekt langfristig am Leben zu halten, gerade nachdem nun alle Beteiligten ihre Studien beendet haben. Solvejg Weyeneth erklärt: „Openairshows funktionieren nur im Sommer. Deshalb suchten wir eine Halle, ein Theater oder sonst etwas, wo wir auch im Winter auftreten können. Leider gab es aber keine genügend grosse, beheizbare und langfristig zahlbare Halle. Doch im letzten Jahr ergab sich die Gelegenheit, dass wir in Basel einen Platz zur Verfügung gestellt bekommen, auf dem ein Zelt wunderbar Platz hat. Folglich stürzten wir uns kopfvoran ins Abenteuer und schufen ein eigenes Circuszelt an.“

Ein Platz war also gefunden, doch schnell wurde klar, dass man mit der eigenen Produktion nicht ein ganzes Jahr in Basel sein kann. Deshalb wurde die Idee von STATION CIRCUS geboren. Solvejg Weyeneth erklärt, was es damit auf sich hat: „Wir wollten einen Ort schaffen, an dem Circus stattfinden kann, an dem sich Artisten austauschen können und Circusleute auf die Bevölkerung treffen. In unserem Zelt werden wir 2015 internationale und nationale Projekte aus der zeitgenössischen Circusszene zeigen und hoffen, diese damit auch in der Schweiz zu fördern.“ Mit dabei sind bekannte Namen wie David Dimitri, die Baccalà Clowns oder die Familie Rossi. Aber auch lokalen und internationalen Artisten wird jeweils donnerstags im „Jeudi Cirque“ eine Plattform geboten, wie aus der Homepage hervorgeht.

Bleibt noch die Frage zu klären, wie es zur Produktion „Eisenartig“ kam. Solvejg Weyeneth: „Alles begann damit, dass bei einem Schlosser zwei einzelne, riesige Metallbögen – eine Fehlbestellung – in einer Ecke verstaubten und entsorgt werden sollten. Valentin Steinemann entdeckte diese zwei Bögen und zeigte sie uns. Wir alle waren der Meinung, dass man aus diesen Bögen tolle Skulpturen und viel Kreatives machen kann. Nach und nach ergab sich dann die Idee, ein Zirkusstück rund um die zwei Metallbögen zu kreieren. Folglich spielte Metall eine zentrale Rolle. Wir wollten aber auch den Werkstattalltag auf die Bühne bringen und so eine Szenerie schaffen, mit der sich ein breites Publikum identifizieren kann. Vor einem Jahr traf sich unsere sechsköpfige Truppe für ein erstes Ideen-Weekend. Danach teilten sich unsere Wege, die konkrete Planung nahm aber langsam Formen an. Ab November und bis im Januar haben wir dann gemeinsam sechs Wochen lang trainiert, die Tournee vorbereitet, die Kulisse geschaffen und so weiter. Wir sind ein Self-Made-Circus durch und durch.“
„Eisenartig“ ist ein modernes Zirkusstück, das bewusst auch Referenzen des traditionellen Zirkus einbezieht, wie Solvejg Weyeneth verrät.

Wer sich selbst von dieser kreativen Artistikshow überraschen lassen möchte, hat noch bis Ende Februar in Zürich Zeit dazu. Danach ist „Eisenartig“ auch noch in Basel, Biel und Bern zu sehen. Für die Vorstellung vom Donnerstag, 26. Februar 2015 in Zürich darf der CVA zudem 3x2 Eintrittskarten verlosen.

Der CVA bedankt sich herzlich bei Solvejg Weyeneth für das nette Gespräch und wünscht dem ganzen Ensemble viel Erfolg!
 
Interview und Text: Randy Scheibli