Das Circusfestival in Monte-Carlo ist meines Wissens das einzige Festival seiner Art, welches jedes Jahr mehrere Pressekonferenzen abhält und damit den Journalisten und interessierten Circusfreunden einige Artisten etwas näher bringt. Gleitet wird die PK seit jeher vom ehemaligen Arzt, Freund der Familie Grimaldi und sehr engagierten Circusfreund Dr Alain Frère. Mit dabei ist ebenfalls seit vielen Jahren der Presseverantwortliche Jean-Pierre Doria und eine Übersetzerin.
Das Jahr 2015 wurde in Monaco zum „Jahr Russlands“ deklariert, was auch auf das Circusfestival abgefärbt hat. Hochkarätige Darbietungen aus Russland sind angereist und präsentierten sich am Festival und natürlich auch an der Pressekonferenz. Aus dem Bolschoi-Circus kamen die Reiter, welche eine Jockey- und eine Dshigiten-Nummer zeigten. In der Jockey-Nummer reitet auch der Direktor des Russischen Circus als Artist mit und der Truppenchef vermerkte mit einem Augenzwinkern, dass er wohl der einzige Artist sei, welcher einen Direktor zur Arbeit antreiben könne. Maxim Nikoulin, Direktor des Circus Nikoulin, äusserte sich sehr erfreut, in Monaco sein zu dürfen und präsentierte die aussergewöhnliche Pferdeflüsterin Anastasia Stykan aus der bekannten russischen Circusdynastie Fedotov. An der PK waren nebst ihrer Mutter, welche die Idee zur dieser ganz speziellen Pferdenummer hatte, auch die Grosseltern der jungen Pferdepräsentatorin. Vor dem Aufbau der Nummer werden die Charaktere der Tiere studiert und beobachtet. Daraus wird dann der Ablauf der Darbietung herausgeschält. Der derzeit eingesetzte Friesenhengst ist 9-jährig und der Andalusier ist 11-jährig.
Vom Russischen Staatszirkus aus Rosgoscirk reiste die Truppe Shatirov mit dem Russischen Barren an. Truppenchef Arkady Shatirov wies darauf hin, dass der Russische Barren wohl eine der schwierigsten Circusdisziplinen überhaupt sei. Seine drei Fliegerinnen sind alles ausgewiesene Topartisten. Anna Rodion erhielt am 29. Festival in Monte Carlo einen Goldenen Clown, Irina Golub versucht jeden Abend den vierfachen Rückwärtssalto und Maria Eresmina legt mit ihrem Versuch den Vierfachen vorwärts noch einen drauf. Dr Frère wies dabei speziell auf das Wort „Versuch“ hin. Ein solch schwieriger Trick könne gar nicht bei jeder Vorstellung sauber gestanden werden. Etwas vom Wichtigsten bei dieser Nummer sei das Vertrauen zwischen den Porteuren und den Fliegerinnen.
In Russland gibt es derzeit rund 40 Circusunternehmen. Über 7000 Menschen finden darin Arbeit, davon ca 3000 Artisten und über 2000 verschiedenste Tiere. Im Moment touren 33 unterschiedliche Programme durch das Land. Rund 40% der vom Staat bezahlten Subventionen werden für die Instandstellung und den Unterhalt der Circusse aufgewendet.
Die Meleshin Brothers mit ihrer Rola-Rola-Arbeit kommen ebenfalls aus Russland. Anton und Vadim sind tatsächlich Brüder. Ihre Karriere begann in einer Circusschule und mit einer Akrobatik-Nummer waren die Brüder bereits einmal in Monaco und gewannen damals Silber.
Ein ganz grosser und wichtiger Mann aus der Circus-Szene, welcher die Entwicklung der Branche nicht nur in Russland, sondern weltweit beeinflusst hat, ist Alexander Grimailo aus Moskau. Mit seinen eigenwilligen Produktionen hat er ganz neue Elemente in die Vorstellungen gebracht. In der Schweiz hat Grimailo bereits Programme für den Cirque Starlight inszeniert. Grimailo wurde von Dr Frère als Genie bezeichnet, was den Angesprochenen sichtlich verlegen machte. Wie mit allen Genies sei es halt nicht immer ganz einfach mit Alexander ein Programm einzustudieren. Er habe seine konsequente Linie und Vorstellung, was und wie er etwas machen wolle. Die in diesem Jahr bei KNIE engagierte Schleuderbrettnummer in Mozart-Kostümen wurde von Grimailo inszeniert. Grimailo leitet in Moskau ein eigenes Artistenstudio. Wir werden in den kommenden Jahren sicher noch viele neue Nummern von ihm sehen und geniessen können.
Nebst den vielen Artisten aus Russland kamen selbstverständlich auch andere Protagonisten zu Wort. Einen sehr coolen Auftritt an der PK hatte Pranay Werner, der Gewinner des Spezialpreises der GCD. Pranay ist 23-jährig und für Circusfreunde in der Schweiz kein unbeschriebenes Blatt. Im Jahr 2011 gewann er die bronzene Auszeichnung am Young Stage Festival in Basel. Gastierte ebenfalls 2011/2012 bei Clowns und Kalorien. Wie so viele junge Artisten stammt Pranay aus einer Privat-Familie und begann zum Plausch mit den Diabolos zu spielen. Etwas später schloss er sich einer Jugendgruppe an, um seine Kenntnisse zu vertiefen. Zwei Jahre später war er bereits Ausbildner in dieser Gruppe. Nebst der Schule trainierte der Teenager bis zu fünf Stunden täglich. Am Nachwuchsfestival in Monaco gewann er den silbernen Preis und wurde nun, ein paar Jahre später, zum Festival geladen.
Elvis Errani (Cousin der „Schweizer-Erranis“ bei KNIE) hat sich den Verlauf des Festivals wohl etwas anders vorgestellt. Eigentlich hätte er mit seinen Schleuder-Brett-Elefanten in Monaco sein sollen. Zwei Wochen vor dem Festival hat sich Elvis den Ellbogen gebrochen. Dennoch wollte er die Teilnahme am diesjährigen Festival nicht absagen und arbeitete mit einer Arm-Schiene seine bekannte Nummer mit den drei Elefantendamen, assistiert von seiner Mutter und seinen zwei Schwestern. Die Darbietung ist eindrücklich und wurde zur Enttäuschung des jungen Tierlehrers wie vor ein paar Jahren schon mit einem Bronzenen Clown geehrt.
Fumagalli – ein bekannter Name in der Circuswelt, ist bereits zum vierten Mal am Festival in Monaco und wurde dieses Jahr bekanntlich mit dem Goldenen Clown ausgezeichnet. Seine Spässe sind dem Schweizerpublikum bestens bekannt und das Entree „Bienchen, Bienchen gib mir Honig“ ist zwar eine alte Klamotte, von Fumagalli aber immer wieder eindrücklich zelebriert. Sein Vater Enrico Fumagalli war bereits Clown und hat im Fellini Film „La Strada“ mitgewirkt. Daraus hat sich eine lange Freundschaft entwickelt und Enrico Fumagalli hat sehr viel mit Frederico Fellini gearbeitet.
Text und Fotos: Alfred Reichle