Der Circus Monti lädt normalerweise zwei Mal pro Jahr zu einer Medieninformation ein. Ein gutes halbes Dutzend Medienschaffende finden sich dabei jeweils im Winterquartier oder im Chapiteau des Circus ein, um den Ausführungen des Direktors, Johannnes Muntwyler, gespannt zu folgen. Der diesjährige Termin mit dem 28. Mai 2020 war relativ früh angesetzt. Nichts desto trotz begab ich mich interessiert und ohne mir grosse Gedanken zu machen auf den Weg nach Wohlen. Etwas erstaunt nahm ich bei der Ankunft die schriftliche Pressemitteilung entgegen. Sie trug den Titel Circus Monti verschiebt die Tournée 2020 um ein Jahr. Damit hatte ich nun wirklich nicht gerechnet. Tags zuvor verkündete der Bundesrat in einer Mitteilung weitere Lockerungen der Covid-19-Massnahmen und bis zur geplanten Monti-Première vom 7. August sollten weitere Erleichterungen nach heutigem Kenntnisstand nicht auszuschliessen sein.
Johannes Muntwyler begrüsste die Medienvertreter zu dieser ausserplanmässigen Informations-Veranstaltung und liess uns alle durch seine detaillierten Ausführungen an der Entscheidungsfindung teilhaben. Die Familie Muntwyler und das Team haben sich den Entscheid nicht leicht gemacht. Nach der bundesrätlichen Medieninformation, welche sehr viele Fragen unbeantwortet liess und auf konkrete Journalisten-Nachfragen oft nur vage und nebulöse Rückmeldungen gab, setzte sich die Monti-Crew erneut zu einer langen und intensiven Sitzung zusammen. Das Verdikt war eindeutig: Eine den Ansprüchen des Circus Monti und seinem treuen Stammpublikum entsprechende Tournée ist aus diversen Gründen nicht realisierbar.
Die Proben und die Erarbeitung des Programms, zusammen mit dem Kreativ-Team und allen Artisten, hätte am 15. Juni 2020 aufgenommen werden sollen. Die Einreisebeschränkungen aus einigen Ländern (USA, Kanada u.a.) sind noch nicht gelockert und die Anreise der Protagonisten deshalb ungewiss. Bereits mehrere Monate im Voraus wurden Überlegungen bezüglich Sicherheitskonzept erarbeitet, Berechnungen mit diversen Szenarien angestellt, Sitzpläne dafür gezeichnet – ein wirklich grosser Aufwand im Vorfeld wurde betrieben. Die Berechnungen mit Sicherheitsabständen von 1 / 1,5 und 2 Metern wurden gemacht. Bei zwei Metern Abstand hätten lediglich 134 Personen (Auslastung unter 17%) eingelassen werden können. Diese Variante wurde schnell wieder ad acta gelegt. Abstand 1,5 Meter ergäbe eine Belegung von 30 % oder 244 Personen und bei einem Meter wäre die Auslastung mit 288 Personen bei rund 30%. Die normale Auslastung liegt aber im Normalfall bei 65%, also liegt die maximal mögliche Spielvariante unter der Hälfte und damit nicht mehr kostendeckend. Weitere logistische Probleme wären Einlass, Pause, Auslass. Im Vorzelt (z.B. vor der Vorstellung und während der Pause) ist ein Abstand von 2 Metern nicht realisierbar. Beim Einlass müsste mit Abstand das Publikum zu den Sitzplätzen geleitet werden. Der Auslass müsste tröpfchenweise und mit viel Personalaufwand abgewickelt werden.
Auch andere Gedanken haben sich die Verantwortlichen gemacht. Was geschieht, wenn während der Proben oder während der Tournée ein Ensemble-Mitglied positiv getestet würde – muss dann der gesamte Circus in Quarantäne? Die Direktion ist sich aber auch der Verantwortung gegenüber dem Publikum bewusst. Eine abgespeckte Corona-Produktion würde das anspruchsvolle Monti-Publikum nicht überzeugen; eine halbherzig durchgeführte Tournée ist also keine Option. Monti ist Garant für eine schöne Atmosphäre, ein hochstehendes Programm – kurz ein besonderes Gesamt-Erlebnis, einen schönen Abend. Eine weitere Frage stellte sich: Kommen die Leute nach dieser unsicheren Zeit überhaupt in ein Circus-Zelt oder haben sie in diesem Jahr vielleicht andere Bedürfnisse?
Alle diese Argumente führten schlussendlich zu diesem für das Unternehmen sehr einschneidenden Entscheid der Absage für 2020. Die nächste Circus-Monti-Première ist nun für den 6. August 2021 geplant.
Das zweite Geschäftsfeld von Monti – die Zelt-Vermietung - ist derzeit ebenfalls stillgelegt.
Die Frage eines Anwesenden nach dem zu erwartenden finanziellen Schaden, beantwortete der Direktor dahingehend, dass der Verlust enorm sei. Derzeit wolle und könne er aber keine abschliessenden Zahlen zu dieser Thematik kommunizieren.
Als nächstes Etappenziel steht nun die Realisation der Monti-Variété-Produktion an. Die Direktion ist zuversichtlich, dass die sechste Variété-Spielzeit – wohl auch mit gewissen Sicherheits-Vorgaben – planmässig umgesetzt werden kann. Damit wird es ab 12. November 2020 wieder heissen: Vorhang auf, das Spiel beginnt. Das Konzept stammt aus dem reichhaltigen Ideen-Fundus der Comedia Zap von Didi Sommer und Cécile Steck. Die musikalische Leitung wird wiederum durch Lukas Stäger wahrgenommen. Der Vorverkauf ist bereits offen und Details gibt es unter www.circus-monti.ch/variete.
Alfred Reichle
30
Mai
2020