Knapp zwei Monate nach der Dernière in Luzern erfolgte am 7. März 2025 der Saisonauftakt des Circus Knie in Rapperswil. Die kurze Vorbereitungszeit hat die Familie Knie sehr intensiv genutzt, um insbesondere die neuen Showeffekte auf die Artisten-Acts zu adaptieren. Dafür liess die Familie Knie die Artisten im Einzelsprung nach Rapperswil kommen. Die Besonderheit der mittlerweile 106. Knie-Produktion unter dem Programmtitel «It’s magical !» sind die neuen Lichteffekte. In der Circuskuppel sind sogenannte «Kinetic Balls» angebracht – kreisförmig an Kabeln aufgehängte Leuchtkugeln, die einzeln angesteuert werden können. Dabei entsteht ein ähnlicher Effekt wie 2018, als Franco Knie jun. seine Leuchtdrohnen um die Luftdarbietung von Linna Knie Sun schweben liess. Aber nicht nur in der Kuppel, sondern auch in und um die Manege haben neue Lichteffekte Einzug gehalten. Im zweiten Programmteil zaubert ein manegenfüllender LED-Boden vielfältige Stimmungsbilder ins Circusrund. Dafür ist die gewaltige Multifunktionsbühne verschwunden, die in den vergangenen Saisons zum Einsatz kam und mehrmals pro Show hineingefahren kam.
360 Grad-Wirkung
Man muss lange in der Geschichte des Circus Knie zurückblättern, bis man eine Illusionsnummer antrifft. «It’s magical !» steht daher auch sinnbildlich für Vincent Vignaud. Der französische Illusionist lässt seine Assistentinnen, sein Motorrad oder sich selber verschwinden und wieder erscheinen. Dabei kommt er sehr gut damit zurecht, dass seine Illusionen im Circus im Unterschied zur Variétébühne auf 360 Grad wirken müssen. Sehr effektvoll ist auch die schwebende Jungfrau – im Grunde genommen eine uralte Artistenkunst, neu aufgelegt. Grossen Respekt vor diesen 360 Grad hatte Mike Müller im Vorfeld der diesjährigen Tournée bekundet, auch wenn er 2019 seine Manegentaufe bestanden hatte. Damals stand ihm allerdings noch Viktor Giacobbo zur Seite. Letzterer soll denn auch Mike Müller in den Abendvorstellungen in Zürich, Bern und Luzern ergänzen. Sei es als Burri Hanspeter oder Bauer Wermelinger mit seinem Hofhund «Pesche» gewinnt Mike Müller auch solo die Sympathien des Publikums. Bisher weniger bekannt ist die Kunstfigur als reife Dame, die im Publikum ihre Verwandtschaft erkennt und kommentiert. Das Publikum in der Romandie darf sich erneut an der Comedy von Marie-Thérèse Porchet erfreuen. Als weiteres komisches Element ist der mexikanische August Chistirrin mit von der Partie. Sein energiegeladenes Temperament kommt bei den Zuschauern sehr gut an. Zudem beeindruckt er auch mit seinen musikalischen und akrobatischen Fähigkeiten.
Starkes Artistencast
Ist die Programminszenierung noch so «state of the art», sind die Artistendarbietungen durchaus klassischen Circusdisziplinen zuzuordnen. So zum Beispiel das Duo Disar, 2024 am Internationalen Circusfestival in Monte-Carlo mit einem Silbernen Clown ausgezeichnet. Es verbindet Luftakrobatik mit Zahnhängen in allen Facetten und Zopfhang. Das Fliegen ist auch der Traum von Svyatoslav Rasshivkin, wobei die «Kinetic Balls» wie Planeten um den Strapatenkünstler schweben. Artistisch sehr anspruchsvoll ist die Equilibristik der Zhejiang Folk Art & Acrobatics General Troupe. Der Untermann hält seine Partnerin im Gleichgewicht, die mehrere Schirme mit ihren Füssen balanciert. Das kolumbianisch-brasilianische Duo Acero beeindruckt vor allem mit seinem Kraftakt am chinesischen Mast, den es mit beispielloser Leichtigkeit darbietet. Als Newcomer hat die Familie Knie den Diabolokünstler Hng Thean Leong aus Malaysia engagiert. 2023 wurde die Neuentdeckung am Young Stage Festival Basel mit einem Golden Star ausgezeichnet.
Artistentruppen
Knie wäre nicht Knie, wenn nicht auch grössere Truppendarbietungen im Programm vertreten wären. Die Besonderheit der Truppe Skokov liegt darin, dass sich ausschliesslich Frauen von der einen russischen Schaukel in die Kuppel katapultieren lassen, um sicher auf der gegenüberliegenden wieder zu landen. Die wehenden Kostüme verleihen auch dieser Darbietung, die bereits 2018 in der Knie-Manege zu sehen war, eine beispiellose Leichtigkeit und Anmut. Dieselben Attribute finden sich auch bei der Truppe Unicircle Flow wieder. Die acht japanischen Einradakrobatinnen radeln geschmeidig über den in sinnliches rot getauchten LED-Boden. Im Gegensatz dazu schlägt die Urban Crew aus den Philippine härtere Töne an. Mit ihrem rhythmischen Streetact bringen die Artisten das Chapiteau zum Beben.
8. Generation Knie
Stolz darf die Familie Knie nicht nur auf den gelungenen Programm-Mix und die revolutionäre Showtechnik sein, sondern auch auf ihre 8. Generation. Ivan Frédéric Knie hat den Andalusier «Laureus» seiner Halbschwester Chanel Marie überlassen, die mit ihrer Reitkunst beeindruckt – unterstützt durch die «Kinetic Balls» in einem farbenfrohen Schaubild. Ihr kleinerer Bruder Maycol jun. reitet sich ebenfalls in die Herzen der Besucher. Ivan Frédéric seinerseits präsentiert die Ungarische Post mit einer ausgesprochenen Leichtigkeit und einem unvergleichlichen Charme. Dafür gab es an der Première eine Standing Ovation.
Sichtlich stolz verabschiedet sich Geraldine Knie beim dankbaren Publikum, das mit einer Standing Ovation und langanhaltendem Applaus nicht nur der Familie Knie, sondern dem ganzen Ensemble seinen grossen Respekt entgegenbringt. «Der Circus erfindet sich immer wieder neu, geht an die Grenzen des Vorstellbaren und schafft Momente von atemberaubender Schönheit». Dieses Dictum fasst die Eindrücke passend zusammen. Das Knie-Programm 2025 steht für erstklassige Artistik umrahmt von innovativer Showtechnik – eine audivisuelle Grenzerfahrung im positivsten Sinne!
Weitere Infos und Tickets: https://www.knie.ch/circus/
Bild und Text: Filip Vincenz