Bei einem City-Trip nach Paris zum Jahreswechsel ist der Besuch des Cirque d’Hiver der Familie Bouglione Pflicht. Der Circusbau wurde 1852 eröffnet. 1934 erwarben die Gebrüder Bouglione dieses ehrwürdige Gebäude. Daher steht die diesjährige Spielzeit unter dem Motto «Spectaculaire» im Zeichen der 90-jährigen Erfolgsgeschichte der berühmten und weitverzweigten Circus- und Artistendynastie.
Fester Bestandteil der Winterproduktionen sind der Monsieur Loyal Michel Palmer und die Salto Dancers, die in wechselnder Kostümierung die einzelnen Programmteile tänzerisch verschmelzen. Zudem kommt das Orchester unter der Leitung von Pierre Pichaud nirgendwo sonst so prominent zur Geltung. Und auch die Familie Bouglione ist in der Manege präsent. Zum einen führt Régina Bouglione ein Gross und Klein vor, die einzig noch verbliebene Tierdressur im historischen Circusbau. Daneben betätigen sich auch die Nachkommen von Sandrine und Thierry Bouglione artistisch: Victoria Bouglione stellt mit ihrer Hula Hoop vor allem ihre tänzerischen Fähigkeiten zur Schau, während Natalia und Sampion Bouglione ihre Zuneigung an den Strapaten demonstrieren. Eine wunderbar in Szene gesetzte und berührende Liebesgeschichte.
Akrobatische Akzente setzt derweil Davie-Pierre Larible. Der Sohn des berühmten Clowns David Larible jongliert virtuos mit Keulen, Ringen und Hüten. Mit zehn Ringen hält er gar den Weltrekord inne. Sehr beeindruckend ist Eliza Khachatryan auf dem Steifdraht. Sie balanciert sehr sicher «nur» auf den Zehenspitzen, wie man es noch nie zu sehen bekam. Das französische Artistinnenduo Sweet Darkness sind Newcomer und zeigen eine riskante Kür am Luftring in schwindelerregender Höhe. Auch sehr hoch hinaus geht Lusesita an der Schulterperche, die von Matteo in Balance gehalten wird. Ein erstes Auslandengagement in Paris durfte die ungarische Truppe Free Fall mit Handvoltigen antreten.
Der Cirque d’Hiver in Paris schrieb Circusgeschichte, als am 12. November 1859 Jules Léotard der weltweit erste Flug von der einen Trapezstange zur anderen gelang. Daher hat das Fliegende Trapez Tradition im historischen Circsubau. Diesen Winter erweisen die Flying Tabares dem anspruchsvollen Requisit ihre Ehre. Die Truppe besteht aus vier Fliegerinnen und einem Mann als Fänger. Der Dreifache ist die Krönung der Truppe und wird sehr sicher ausgeführt.
Des weiteren sind das Trio Skating Nistorov in einer genreüblichen Rollschuhakrobatik und Michael Betrian mit bis zu vier Diabolos zu sehen. Für den anspruchsvollen komischen Part sind die «Mangeurs des Lapins» zuständig, ein Clowntrio der aussergewöhnlichen Art und wie sooft Geschmackssache.
Zusammenfassend darf festgehalten werden, dass der Cirque d’Hiver in künstlerischer, musikalischer, tänzerischer und farblicher Hinsicht eine einwandfreie Show liefert, wie es sich die Besucher gewohnt sind. Im Unterschied zu früher fehlen die grossen Namen der Artistik. Das hat eventuell mit der zunehmenden europäischen Konkurrenz an grossen Winterproduktionen zu tun, mit welcher der Cirque d’Hiver aufgrund seiner durch den festen Circusbau beschränkten Expansionsmöglichkeit nicht mithalten kann. Doch auch mit unbekannten Namen und Newcomern kann man ein unterhaltendes Circusprogramm zusammenstellen. Die Familie Bouglione macht es vor.
Der Cirque d’Hiver spielt bis 9. März 2025 in Paris.
Infos und Tickets: https://www.cirquedhiver.com/
Bilder und Text: Filip Vincenz