Programmbesprechung Cirque de Père Noël (Familie van Gool) 2015
Im Jahr 1990 gründete die Familie Van Gool-Nock ihren Circus Pajazzo und mit der ersten Produktion, dem Cirque de Noël auf der Plaine de Plainpalais in Genf, startet das Unternehmen mit dem eigenen Reisegeschäft.
Nach einigen Tourneen durch die Schweiz und dem Experiment „Crazy Hotel Company“ stellte die Familie Van Gool auf eine neue Strategie um. Zeltvermietung, Wagen- und Requisitenbau und zum Jahresende immer der Weihnachtscircus auf der Plaine de Plainpalais prägten seither das Unternehmen. Damit zelebrierten die Familien Harry und Adrian Van Gool in diesem Jahr ihren 25. Weihnachtscircus in Genf. Unter den Circusfreunden der Schweiz hat sich schon seit längerer Zeit rumgesprochen, dass sich auch von weit her ein Tagesausflug nach Genf zum Cirque de Noël immer lohnt. So war es auch Ende 2015 – viele Freunde aus der Deutschschweiz besuchten die Jubiläums-Ausgabe in Genf und erfreuten sich an einer harmonischen, weihnächtlichen Circus-Show.
Musikalisch begleitet werden die Artisten seit der Unternehmensgründung durch den bestens bekannten und sehr kompetenten Kapellmeister Tadek Kroll.
Mit den Kindern von Harry und Adrian steht bereits die dritte van Gool-Generation in der Manege wobei besonders Jennifer (Tochter von Magdalena und Harry) durch ihre Luftdarbietungen schon seit mehreren Jahren zu überzeugen versteht. Sie hat sich prächtig entwickelt und zeigt im diesjährigen Programm eine wunderschöne Tüchernummer, zusammen mit ihrer Manegen-Partnerin Noemi. Etwas weniger Glück hatte Adrian jun. Geplant war die Wiederaufnahme des früher beliebten und bekannten Fass-Springens. In einer Vorstellung verletzte er sich am Knie und fiel dann leider für den Rest der Spielzeit aus. Wir wünschen auf diesem Wege gute Besserung und sehen das Fass-Springen vielleicht Ende 2016? Als Ersatz ist Pat Gruss als Revolverheld und Lasso-Schwinger im Programm. Sein Spiel mit den Trommel-Revolvern ist schnell und begeistert das Publikum auf Anhieb. Gleiches gilt für die Lasso-Tricks.
Der Programmablauf lässt im Fünf-Jahres-Rhythmus die Geschichte aufleben – jeweils mit Transparenten angezeigt durch die van Gool-Kinder. Das sechsköpfige Circusballett besticht erneut durch seine Auftritte in herrlichen Kostümen. Kostümschneiderin ist seit Jahren Magdalena van Gool und durch ihre Näharbeiten sind schon unzählige, wunderbare Werke entstanden. Im Programm ist Magdalena mehrmals als Putzfrau Bobonne integriert und zeigt neben einer Einzel-Pferde-Dressur als Super-Bobonne (im Superwoman-Anzug) ihre Hula-Hoop-Arbeit. Zur Ankündigung der Pause wird nach TV-Manier „Wer wird Millionär“ inszeniert. Während die ersten zwei Fragen von Bobonne mit Bravour gemeistert werden, ist die Kandidatin mit der dritten, entscheidenden Frage überfordert. Die Frage lautete: „Wie lange dauert im Circus die Pause? 15 Sekunden, 15 Minuten, 15 Stunden oder 15 Wochen?“ Die Kandidatin nutzt den Telefon-Jokker und dieser ist überzeugt, dass die Pause 15 Wochen dauert. Damit ist die Million leider weg und das Publikum wird in die 15-minütige Pause entlassen. Eine äussert witzige und gut umgesetzte Idee – sehr gut gespielt von der Kandidatin Bobonne alias Magdalena van Gool.
Viel Schwung bringt bereits die erste artistische Darbietung unters Chapiteau-Dach. Josy Casselli aus Deutschland zeigt ihre Arbeit am Schwungseil mit ausgeklügelten Tricks und in einem schwarz-roten, selber geschneiderten, Kostüm. Ihr Repertoire enthält alle an diesem Arbeitsgerät bekannten Tricks. Atemberaubend ihre diversen Abfaller, zum Teil mit Drehung in die Kniekehle. Die drei Hunde von Patrick Harrison arbeiten sehr selbständig und man neigt zur Frage, wer in dieser Darbietung wen vorführt. Jedenfalls stehen die Hunde immer im Mittelpunkt. Einen zeitgenössischen, modernen Touch bringt Yuri Gottani mit seiner Laser-Show ins Chapiteau. Die grün leuchtenden Bilder verzücken Gross und Klein. Corina, die Partnerin des Musikal-Clowns Grigorescu, liess kleinste und ganz grosse Seifenblasen durchs Chapiteau schweben. In ihrer Hauptnummer agierte Corina in der clownesken Musikalnummer des Duos Grigorescu und versuchte verzweifelt, dem Clown klarzumachen, dass er in der Manege nicht spielen darf, nahm ihm immer wieder die Instrumente weg. Er nicht faul, liess aus seinem weiten Gewand immer wieder neue Requisten erscheinen. Neben Trompete, Saxophon, Okarina, Handorgel spielte der Clown auch noch Dudelsack. Persönlich sind mir diese Nummern meistens zu lang, beeindrucken durch die vielen gespielten Instrumente, sind aber nicht wirklich lustig. So erging es mit leider auch bei den Grigorescus. Fasziniert war ich hingegen von den zwei Darbietungen des jungen Mongolen Ochir an den Strapaten und als Equilibrist auf dem hohen Piedestal. Sein perfekter, muskulöser Körper, seine Ausstrahlung erfreut die Damenwelt und Männer lässt er vor Neid erblassen. Harmonisch und mit voller Konzentration arbeitet er in beiden Nummern sehr ästhetische und schöne Bilder; eine wirkliche Augenweide und sicher einer der Höhepunkte des Programms. Der effektive Programm-Höhepunkt für mich war allerdings ein Schweizer: Eddy Carello mit seinen Jonglagen. Im ersten Auftritt zeigt er seine Ball-Routinen mit bis zu fünf Fussbällen. Gegen Ende der Vorstellung begeistert er das Publikum mit den ausgefallenen Kombinationen auf seinem Schlagzeug. Da lässt er Bälle in hohem Tempo von Trommel zu Trommel tanzen und als Zwischeneinlagen spuckt er noch kleine Ping-Pong-Bälle auf die Becken, um sie gleich wieder mit seinem Mund aufzufangen und von neuem auf die zweite Cinelle zu katapultieren. Diese Nummer erstaunt mich immer wieder. Mehr über Eddy Carello lesen Sie übrigens auch im grossen Porträt in der CircusZeitung vom Februar 2016. Ebenso erstaunlich war allerdings auch die für den Weihnachtscircus ad hoc zusammengestellte Reitergruppe. Mit ihren Übungen am Pferd lassen sie keine Wünsche offen und wenn man bedenkt, dass mehrere Mitglieder der vierköpfigen Gruppe erstmals eine Reiternummer in der Manege zeigen, ist dies schon eine herausragende Leistung. Im Internet wird die Truppe mit dem Titel „Troupe Voltige“ etwas bescheiden angekündigt. Was die Protagonisten zeigen, darf als Dshigitenreiterei bezeichnet werden. Eine würdige Schlussnummer. Im Finale verabschiedet sich das gesamte Ensemble von seinem Publikum und beschliesst damit eine ausgewogene Jubiläumsausgabe des Cirque de Noël in Genf.
Text und Fotos: Alfred Reichle